Am 8. Oktober 2014 um 18:30 Uhr lud das Bundesministerium
der Justiz und für Verbraucherschutz in der Mohrenstraße in Berlin
interessierte Bürger ein zu drei Impulsvorträgen mit anschließender Diskussion
zum Thema:
MACHT POLITIK SPRACHE ... verständlich?
Kann man Gesetze und Amtsschreiben „leichter“ machen?
Da ich mich als Sprachwissenschaftlerin schon in meiner Magisterarbeit
mit diesem Thema beschäftigt hatte und mich das Thema nach wie vor
interessierte, bin ich natürlich extra nach Berlin zu dieser Veranstaltung
gefahren.
Wir alle kennen das: Gesetze und Amtsschreiben sind oft sehr
schwer verständlich. Doch vor einiger Zeit kam Bewegung in die Sache. Es
gründeten sich Initiativen und Arbeitsgruppen, Redaktionsstäbe und
Forschungsgruppen, die es sich zum Ziel gesetzt haben solche Texte für den
Einzelnen verständlicher zu machen. Der Bürger soll also nicht mehr nur
Rechtsunterworfener sein. Mit verständlichen Rechtstexten soll jedem einzelnen
Bürger die Teilhabe am Rechtsstaat ermöglicht werden. Was das konkret für
Projekte sind, was man in den letzten Jahren erreicht hat und was die nächsten
Ziele sind, wurde in der Veranstaltung der
Deutsch 3.0-Reihe des Goetheinstituts thematisiert.
Aus verschiedenen Blickwinkeln betrachteten drei
Referentinnen das Thema:
Sandra Grohmann, Richterin am Kammergericht Berlin
„Wenn Sie sich scheiden lassen wollen, müssen Sie das
Gericht anrufen“
Oder: Brauchen wir Dolmetscher für Amts- und Gerichtsdeutsch?
Stephanie Thieme, Leiterin des Redaktionsstabs Rechtssprache beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
Bitte Recht verständlich! - Die Gesetzesredaktion für die
Bundesregierung
Prof. Dr. Christiane Maaß, Leiterin der Forschungsstelle
Leichte Sprache der Universität Hildesheim
Lesen und Verstehen: Leichte Sprache in der
Verwaltungskommunikation
Oft reden die Juristen untereinander in einem völlig unverständlichen
Fachjargon und wollen damit ihre Fachkenntnis suggerieren. Ob dieser Jargon nur
Angeberei ist oder Vertrauen signalisieren soll ist dabei völlig egal. Fakt
ist, dass er nicht notwendig ist. Sicherlich benutzen Juristen gerne solche
Floskeln, wie Verfügung von Todes wegen
oder anheimstellen. Um sich
verständlich auszudrücken, müssen Juristen sich zusammenreißen und
festgefahrene Sprachwege verlassen. Das ist Arbeit. Deshalb setzt sich Frau
Grohmann dafür ein, dass eine gute und verständliche Sprache Teil der
juristischen Ausbildung wird, damit Studenten gar nicht erst in Versuchung kommen,
sich solche hochtrabenden Floskeln anzugewöhnen. Am Kammergericht hat sie mit
einer Arbeitsgruppe bereits die Rechtsbehelfsbelehrungen verändert. Der
Anspruch ist auch, dass Begründungen der Urteile für alle Anwesenden verständlich
sind. Ein nächstes Projekt ist die verständlichere Gestaltung der Webseite.
Häufig geben die Juristen aber nur das wieder, was in den
Gesetzen steht. Dass Gesetzestexte oftmals sehr verklausuliert klingen und
äußerst verschachtelt sind, bekommen wir anhand zahlreicher Beispiele an diesem
Abend häufig zu hören. Und auch Juristen geben mittlerweile offen zu, dass sie
einige Gesetze nicht mehr verstehen. Bestehende Gesetze zu ändern ist eine
Sache. Um sprachliche Richtigkeit und verständlichen Satzbau bei zukünftigen Gesetzen
kümmert sich der Redaktionsstab
Rechtssprache beim BMJV, den Frau Thieme leitet. Die 8-köpfige Gruppe achtet
auf klaren Satzbau, korrekte Bezüge, inhaltlich schlüssige Gliederung,
logischen Aufbau, richtige Wortwahl und natürlich auch Grammatik und Rechtschreibung.
Mittlerweile werden von den erst skeptischen Juristen ca. 75 % der Vorschläge
angenommen. Dennoch wird beklagt, dass die Beteiligung meistens viel zu spät im
Gesetzgebungsprozess erfolgt und, dass die Beteiligung der Sprachprüfung durch
den Redaktionsstab immer noch viel zu selten in Anspruch genommen wird. Ein
Abbau der Vorbehalte bei den Juristen wird also auch in Zukunft ein wichtiges
Ziel bleiben.
Besonders Menschen mit Lernbehinderung, geistiger
Behinderung oder paralingualer Hörschädigung, sowie funktionale Analphabeten oder
Migranten haben Probleme Schreiben vom Amt zu verstehen. Harte Strafen oder
finanzielle Schäden können die Folge sein. Für diese rund 20 Mio. Menschen in
Deutschland muss es laut Behindertengleichstellungsgesetz und Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung
dennoch möglich sein, Amtsschreiben zu verstehen. Deshalb hat sich an der Uni
Hildesheim eine Forschungsgruppe um Frau Prof. Maaß gebildet, die schwierige
Amtstexte in „Leichte Sprache“ umformuliert. Als Varietät des Deutschen
kommt Leichte Sprache mit kleinem Grundwortschatz, kurzen Sätzen mit nur einer
Aussage, ohne Nebensätze, ohne Kommas, ohne Genitiv, ohne Präteritum oder Futur
und ohne Personalpronomina der dritten Person aus. Der Ausgangstext bleibt dabei
erhalten. So wurden zuletzt Informationsbroschüren zum Thema Erbrecht und zum
Thema Vorsorgevollmacht herausgegeben. Weitere Informationstexte sind in
Arbeit.
Angesichts der großen Notwendigkeit verständlicher Gesetzestexte und Amtsschreiben
verwundert mich, dass der Bund der Steuerzahler diese Arbeit für den Bürger,
die von vielen Bürgern gewünscht wird, als unnötige Steuerausgaben verunglimpft.
Anhand von alltäglichen Beispielen, wie der Verwechslung von vierzehntäglich und
vierzehntägig sieht man, dass Juristen häufig nicht den fachlichen
Kenntnisstand eines ausgebildeten Germanisten haben, der solche Unterschiede
kennt und als Fehler im Text erkennt. Auch Bezugsfehler sind an der Tagesordnung.
Die Frage nach der Notwendigkeit eines nichtjuristischen und sprachlich
geschulten Dienstleisters, der aus Sicht eines juristischen Laien auf die Texte
schaut, stellt sich also nicht. Die Notwendigkeit ist ganz klar gegeben. Es ist
ein wichtiger Schritt gewesen die Bürger an diesem Abend in Berlin über die
Arbeit an der Verständlichmachung von Gesetzen und Amtstexten zu informieren. Wenn
das Verständnis und die Unterstützung für diese Arbeit in der Bevölkerung da
ist, wenn Bürger ihre Rechte auf verständliche Texte einfordern, dann werden
vielleicht auch bald die Juristen diesem Druck nachgeben und der Spracharbeit
eine größere Bedeutung beimessen. Nur so kann es in Zukunft bessere und verständlichere
Gesetzestexte und Amtsschreiben geben.Übertragen in die Praxis:
Antworten auf Alltagsfragen einfach und verständlich erklärt
(ALG-Formulare):
Selbstständigkeit
und so
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen