Freitag, 13. März 2015

Unglaublicher Fund: Buch in Bibliothek entdeckt



Es war Sommer. Es war heiß und dann sah ich im Bus-Fernsehen die Schlagzeile des Tages. Man hatte ein Buch entdeckt. Inmitten einer Bibliothek. Ein berühmtes Werk. Ein sehr altes Werk. Nuja, nicht das ganze Buch, eher ein Fragment. Der Parzival. Aus dem 13. Jahrhundert.
Die Kurzzusammenfassung war übertitelt mit:

Sensationeller Fund in der Leipziger Unibibliothek

Als ich die Schlagzeile vor etwa einem halben Jahr las, bin ich ja wirklich fast aus den Latschen gekippt.
Nein, die Sensation das Buch, war nicht hier
sondern hier
gefunden worden.

Was sich fast anhört, wie die ironische Zusammenfassung einer Lehrerin über die Schülerreaktionen ihrer siebten Klasse beim Schulausflug in die Stadtbibliothek, ist in Wahrheit eine kleine Sensation.
Rasch stellte sich heraus, dass dieses Pergamentfragment die älteste Abschrift des Parzival von Wolfram von Eschenbach ist. Ein mittelalterliches Buch über einen Ritter auf einem Roadtrip, in dem der heilige Gral entdeckt, mehrere Schlachten nacherzählt und 14 Liebesgeschichte enthüllt werden – für alle, die mit dem Titel nichts anfangen können.
In der Presse kam es zwar überall so rüber, als hätte man das Buch in der Leipziger Unibibliothek gefunden. Das stimmt aber gar nicht.

Gefunden wurde das 800 Jahre alte Buch - pardon, das Pergament - nämlich in der Domstiftsbibliothek Naumburg (Quelle 1). Man hatte den Ursprungstext in Streifen geschnitten und als Buchbindematerial genutzt (Quelle 2). In Leipzig wurde nach mehrmonatiger Untersuchung dann festgestellt, dass es sich tatsächlich um die älteste Abschrift des Parzival handelt. Da das Original des Buches verschwunden ist, hofft man immer möglichst alte Abschriften zu finden – dies ist die bislang Älteste.

Ich bin ein Mensch, der alte Bücher mag. Es schmerzt mich zu sehen, wenn alte Bücher zerstört werden – Bücher überhaupt – denn es könnte ja immer das letzte seiner Art sein. Wissen muss gespeichert werden. Aber auf der anderen Seite sind das 25 Verse von 25-tausend Versen und zweitens wird das komplette Buch (zwar nur in einer Abschrift, aber immerhin) für 12 Geld beim ZVAB verkauft. Welche wichtigen Erkenntnisse sich jetzt ausgerechnet aus diesem Schnipsel ziehen lassen, mag dahingestellt sein.

Viel interessanter ist die Tatsache, wie es dazu kommen konnte.
Sicher, Pergament wurde früher gerne wiederverwendet, weil es wertvoll und kostbar war. Aber wie bitte, kann ein Buch in einer Bibliothek verschwinden? Ja, wir kennen das…Unibibliothek…..kaum hat einmal jemand das Buch aus dem Regal genommen und an einen falschen Platz gestellt, schon ist es verschwunden. Aber das hier ist die Domstiftsbibliothek Naumburg, hier kann man nicht einfach aus- und eingehen und Bücher verstecken. Hier lagern Schätze, die man, wenn überhaupt nur mit weißen Handschuhen anfassen darf, wenn sie denn mal aus ihrer luftfeuchtekontrollierten Glasvitrine herausgenommen werden. Und es liegt auch nicht erst seit gestern da.

Was ist da passiert? Chaotische Lagerwirtschaft?
Das hier ist chaotische Lagerwirtschaft:
Da ist jedes Buch einfach da reingestellt worden, wo noch Platz war.
Oder das hier:
Ich hab in meinem Schrank die Bücher nach der Größe sortiert.
Aber ich find in meinem Schrank alles wieder und die Mitarbeiter bei dem Versandhändler auch.
Anfangs hört sich das Ganze nach einer klassischen Sommerlochnachricht an

Buch in Bibliothek gefunden

Doch jetzt wurde es Stück für Stück zum altgermanistischen Krimi.

800 Jahre altes Handschrift-Fragment eines mittelalterlichen Buches entdeckt

Dieses Beispiel zeigt und wieder einmal, wie sehr ein Titel oder eine Überschrift einen Artikel ausmacht. Der schönste Artikel ist nichts ohne eine überragende Überschrift, die den Inhalt prägnant zusammenfasst.



Bildnachweise:
Universitätsbibliothek Graz, Österreich (Bild von Dr. Marcus Gossler) http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/a7/Library_gallery.jpg/800px-Library_gallery.jpg
Wolfram von Eschenbach: Parzival (Parzival und Condviramur) Handschrift aus der Werkstatt von Diebold Lauber, Hagenau (15. Jahrhundert) Heidelberg, Cod. Palm. germ. 339, 135r: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/ba/Parzival.Lauber.jpg/398px-Parzival.Lauber.jpg
Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 339, I. Buch, Blatt 6r - Spätmittelalterliche Bilderhandschriften aus der Bibliotheca Palatina - digital, Kooperationsprojekt der Universitätsbibliothek und des Kunsthistorischen Instituts der Universität Heidelberg. Wolfram von Eschenbach, Parzival, Beginn Prolog ''Wolfram von Eschenbach, Parzival'' (Handschrift), Hagenau, Werkstatt Diebold Lauber, um 1443-1446, Cod. Pal. germ. 339, I. Buch, Blatt 6r: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e2/Wolfram_Parzival_Prolog_cpg339.jpg


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