Zu
schön und zu einfach erscheint die Herausforderung für schriftstellerisch begabte
Menschen auf der Suche nach geeigneten Schreibwettbewerben, wenn sie sich den
Wettbewerb der Brentano-Gesellschaft ansehen.
Jedes
Jahr sammelt die Brentano-Gesellschaft Gedichte mit einem Gedichtwettbewerb.
Gesucht
werden Gedichte „aus der Mitte der Gesellschaft“, um die „lyrische Gesamtkultur
einer Epoche“ zu überliefern. Die Gedichte werden dann von einer Expertenjury
ausgewählt und in der laut Verlagsaussage renommierten Frankfurter Bibliothek
publiziert.
Die
Gesellschaft macht es einem sehr leicht ein Gedicht einzureichen, mit einem
völlig vorgefertigten Online-Formular, in das man nur noch seine Daten und sein
Werk eintragen muss. Einzige Beschränkung: Das Gedicht darf nicht länger sein,
als 20 Zeilen. Die Brentano-Gesellschaft ist ehrlich: Preisgelder gibt es hier nicht
zu gewinnen, allein die Ehre in diesem Buch abgedruckt zu sein, ist es, was
einen Neuzeit-Dichter dazu bewegen soll, sich hier zu beteiligen. Dem
Erstplatzierten winkt darüber hinaus eine Gedichtband-Publikation, dem
zweitplatzierten ein Stipendium mit Schriftstellerdiplom, die Dritt- bis Siebtplatzierten
dürfen ihr Gedicht im Deutschen
Literaturfernsehen verlesen. Ein Internet-Fernsehsender, der ebenfalls der
Brentano-Gesellschaft gehört.
Ohne
Frage ist es eine Ehre in diesem Band mit einem Gedicht vertreten zu sein. Die
Frankfurter Bibliothek als Gedichtband steht unter anderem in einigen
Nationalbibliotheken, Staatsbibliotheken und Landesbibliotheken.
Nach
eigenen Angaben sind dazu in der Frankfurter Bibliothek seit 2001 bereits
40.000 Gedichte erschienen. Das macht rund 2860 bis 3000 Gedichte pro Jahr.
Ohne mich jetzt zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, möchte ich vermuten,
dass die Expertenjury nur wenig ablehnen darf, um auf solche Mengen an
Gedichten zu kommen.
Freundliche Abzocke
Es
kam, wie es kommen musste, ich machte 2014 bei diesem Wettbewerb mit – einfach aus
Interesse. Und ich gewann dann auch. Mein Gedicht wurde wohl auch abgedruckt.
Jetzt ist es in diesem Buch, auf ewig. Eine schöne Sache, aber ab da ging es
los mit Zahlungsforderungen.
Mit
der Ankündigung des clever gewählten Erscheinungsdatums des Bandes kurz vor
Weihnachten, flattert einem der erste Brief ins Haus. Auf zwei Seiten wird
berichtet, wie schnell der letztjährige Band vergriffen gewesen war und, in
welch besonderer Aufmachung der Band erscheint. So wird suggeriert schnell
zuzugreifen, um selbst ein Zeugnis dieses einmaligen Werkes mit dem eigenen
Gedicht in einer Weltsammlung in den Schrank stellen zu können. Der stolze
Preis für ein Exemplar: 89 Euro. Ein Bestellformular hängt dem Brief
praktischerweise gleich an.
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Ich habe
auf diesen Brief nicht reagiert. Klar, irgendwoher muss die Stiftung sich mit
ihrer ehrenvollen Sammelaufgabe finanzieren, aber das war mir dann doch ein
bisschen zu dreist.
Nervige Abzocke
Den zweiten
Brief erhielt ich dann im April des darauffolgenden Jahres.
Mein
veröffentlichtes Gedicht wurde nun für die jährlich erscheinende
Klassikerausgabe „Die besten Gedichte“ ausgewählt. Praktisch ein Best Of der
Frankfurter Bibliothek. Mir wurde sogar angeboten, dafür ein noch nicht veröffentlichtes
Gedicht zu wählen. Wieder wurde die elegante Ausstattung des Buches
hervorgehoben. Veröffentlichungstermin geplant zur Frankfurter Buchmesse im
Herbst.
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Fast
im Vorbeigehen wurde erwähnt, dass Autoren üblicherweise 30 Ladenexemplare
abnehmen und ein pauschales Autorenhonorar von 50 Euro erhalten. Starke Worte,
wie "müssen abnehmen" oder "Abnahme ist Pflicht" wurden hier bewusst vermieden. Die
Worte sind klar und rechtssicher, sicherlich. Aber die Vermeidung klarer
Aussagen zu den Rahmenbedingungen zeigt, dass hier ein Übersehen dieser
Rahmenbedingungen nicht nur sehr wahrscheinlich ist, sondern evtl. sogar
gewünscht oder beabsichtigt. Wer diesen Brief nur überfliegt, weil er vom
letzten Brief schon genervt war, kann hier in eine böse Falle tappen.
Einfach
nur mal pauschal gerechnet: Bei einem Buchladenpreis von (wie angegeben) 14,80
Euro, sind das 444 Euro, die ich ausgeben müsste, um in diesem Band
veröffentlicht zu werden, abzüglich der 50 Euro Autorenhonorar immer noch 394
Euro.
Mindestens
ebenso dreist ist das mildtätige Angebot der an mich schreibenden Dame, dass
ich von der Ausgabe aus dem letzten Jahr, die bereits vergriffen ist, zufällig
noch ein Exemplar zur Ansicht bestellen kann aus ihrem „Handbestand“ für 10
Euro. Wenn der „Handbestand“ mal nicht zufällig genau für diesen Zweck
zurückgehalten wurde.
Dreiste Abzocke
Vor ein
paar Tagen erhielt ich dann eine E-Mail. Mein Gedicht ist der Redaktion „aufgefallen“.
Es wäre geeignet, um es im Deutschen Literaturfernsehen auszustrahlen. So könne
ich das Publikum weltweit erreichen und mit dem Auftritt mein Ego streicheln.
Es sei ein „auf Dauer dokumentierter Auftritt“ und ein „literaturhistorisches
Zeugnis, das der Mitwelt verfügbar bleibt“.
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Ich
kann die Lesung selbst aufnehmen oder in Frankfurt aufnehmen lassen. Dann kommt
der Hammer: Wegen des hohen Aufwandes muss die Redaktion eine Bearbeitungs- und
Redaktionsgebühr von 94,85 Euro erheben. Und das auch nur, wenn ich das Video
selbst aufnehme (wobei eigentlich keine Redaktionskosten entstehen), andernfalls muss
ich noch 33,15 Euro draufzahlen.
In
den folgenden Zeilen wird deutlich, dass ich genau ein Gedicht vortragen darf
und für jedes weitere Gedicht 20 Euro berechnet werden.
Dann
erfährt man, dass der „auf Dauer dokumentierte Auftritt“ doch nur ein
einmonatiger Vorbeiritt sein wird, ein Ausstrahlungs-Abo kann man jedoch für
4,60 Euro im Monat abschließen.
Alter
Schwede, wie kackedreist ist das denn bitteschön??
DAS
in Zeiten von Youtube, wo hundertmal mehr Leute zusehen, und wo ich tausendmal
eher über Google gefunden werden kann. Sorry. Das ist für mich einfach nur eine
megadreiste Abzocke der allerübelsten Sorte.
Bitte
Leute fallt nicht auf diese Abzocker herein. Ein Gedicht zu veröffentlichen,
schön und gut, aber diese heftige Verkaufsmasche mit den Prunkbänden und dem
Literaturfernsehen ist echt reine Geldschneiderei. Lasst euch von sowas nicht einlullen.
Bildnachweise:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b5/Wilhelm_Hensel_-_Clemens_Brentano_1819.jpg
Wilhelm Hensel [Public domain], via Wikimedia Commons
Danke für diesen interessanten Artikel , habe auch mitgemacht dieses Jahr und mein Beitrag wurde auch angenommen.
AntwortenLöschenIch habe mich wirklich gefreut, aber jetzt hat es für mich keinen Wert mehr .
Habe mich über diesen Verlag informiert und bin echt enttäuscht. Das ist meine erste Veröffentlichung und war Stolz drauf .
Kaufen werde ich da ganz bestimmt nichts . Ich hab mitgemacht es wird veröffentlicht und gut mehr ist es nicht mehr für mich .
Ich weiss jetzt wo seriös gearbeitet wird versuche ich es da weiter !!
Dieser Beitrag fasst mein Erlebtes grade sehr gut zusammen. Ich habe 2016 mitgemacht und mein Gedicht wurde kurz vor Weihnachten abgedruckt. Jetzt erhielt ich einen Brief, in dem stand, dass eben jenes Gedicht in einer anderen Ausgabe, die zur Buchmesse erscheint veröffentlicht werden soll. Nachdem ich aufgrund der recht undeutlichen Formulierungen nachfragte und etwas rum rechnete, stellte sich heraus, dass es reine Abzocke ist. Ich hatte mich erst sehr gefreut, bin aber über diese Dreistigkeit grade mehr als enttäuscht. Werde es weiterhin bei seriöseren Stellen versuchen.
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