Auf der Leipziger Buchmesse bekam
ich allerhand Zeitungen, Magazine und Flyer ungefragt in die Hand gedrückt. Man
sagt brav danke, wechselt vielleicht noch ein kurzes Wort mit dem Verteiler und
versucht dann seinen Weg fortzusetzen. Zuhause schaut man dann den großen
Stapel an mitgenommenen Zeitungen durch und entdeckt vielleicht viel Neues und
Interessantes, innovative Zeitschriften mit intellektuellen Themen statt dem
Mode-Schminktipps-Einheitsbrei, Literaturmagazine mit Leseproben der neuesten
Bestseller oder kostenlose Probezeitungen von bekannten und beliebten
Zeitungsverlagen. Und dazwischen schlummern immer wieder auch diese Dinge, die
bei den meisten gleich in der Rundablage landen: Politisches Werbematerial. Ich
rede hier nicht vom Stand des Bundestages, der jedes Jahr unaufdringlich Karten
von Deutschland auslegt, die man sich freiwillig mitnehmen kann. Ich rede hier
von stark linksgerichteten Zeitungen, die einem möglichst in der Mitte des
Ganges in die Hand gedrückt werden, obwohl man gerade den Stand auf der
gegenüberliegenden Seite anschaut oder mit Blick auf den Messeplan nach dem Weg
sucht. Diese Zeitungen suchen hier nicht etwa nach Lesern oder nach „Kämpfern
für die gute Sache“, sondern nach neuer Wählerschaft.
© Kruno Kartus
for openphoto.net
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Die Artikel greifen aktuelle
Themen auf: „Fukushima“ oder „Giftmüllskandale“, „Gleichstellung der Frau“ oder
„Solidarität mit der Ukraine“. Und wenn man sie liest, hat man das Gefühl, das
sie genau das ausdrücken, was irgendwie alle sagen oder denken: warum leiten
die Japaner ihr atomares Kühlwasser ins Meer? Gifte im Trinkwasser, das möchte ich
auch nicht, ja, als Frau verdient man ja immer noch weniger, als die Männer in
gleichen Positionen, schön, dass mal jemand was dagegen macht oder Warum
schießt eigentlich jemand auf die friedlichen Demonstranten am Rand der
Proteste in der Ukraine?
Schaut man tiefer und analysiert
man diese Texte sprachwissenschaftlich, so sieht man zunächst eine sehr
subjektive Berichterstattung. So wird im Zusammenhang mit der Arbeit von
Soldaten grundsätzlich von „Mord“ gesprochen, beim Thema Umwelt in vielen
Artikeln von „Sauerei“. Bei einigen Themen werden bewusst nicht aktuelle,
sondern schon lange widerlegte Quellen herangezogen und als aktuell
dargestellt, um ein bestimmtes Bild zu vermitteln. In einer Kurzzusammenfassung
über den Ursprung der „Unterdrückung und Ausbeutung“ der Frau die
prähistorische Rollenverteilung im Umbruch von Ackerbau und Viehzucht
vorzubeten und schließlich zu verweisen auf Schriften von Marx und Engels ist
nicht nur nicht mehr zeitgemäß, sondern wissenschaftlich längst überholt.
Die Polemik ist durchgehend auf
Hass schüren und Kämpfen eingestellt, denn wer rebellieren möchte, benötigt ein
Feindbild. Man will bewusst Unzufriedenheit schaffen, statt auf Unrecht
hinzuweisen, man will mit Berichten über Bücher berühmter (toter) Rebellen
bewusst ein Menschenbild schaffen, was den Kommunisten des 19. Jahrhunderts als
ruhmreichen Sieger darstellt und es als statthaft ansieht, diesem Vorbild zu
folgen. (Was uns das gebracht hat, sehen wir an 40 Jahren „Knast“ im Osten
Deutschlands.) Dies wird zudem noch unterstrichen durch eindeutig
sozialistisch-linke Wortwahl. Eine Auswahl: Jungarbeiter, neofaschistische
Organisationen, Kapitalisten, herrschende Klasse, werktätige Massen,
Revolution, Kampf der Arbeiter, Privilegierung, Befreiung der Frau, erkämpfen,
den echten Sozialismus aufbauen, Zentralkomitee, Rebellen als „Vorbilder“ für
Kinder, Kampftag, Kampf für den Sozialismus, usw.
Die Themen sind aktuell, sie sind
bewusst gewählt weil sie die Bevölkerung gerade verärgern, sie sind bewusst
reißerisch verfasst, um eine Meinung aufzubauen und sie enthalten bewusst
unterschwellige Botschaften, die fast ausschließlich durch Wortwahl
transportiert werden. Man soll aufgewiegelt werden beim Protest mitzumachen.
Protest ist nichts falsches, aber Protest sollte kein Mittel sein, ein
Menschenbild und vor allem Feindbild zu verbreiten, was nicht nur nicht in
unsere heutige Zeit passt, sondern auch durch falsche Fakten gestützt wird.
Protest sollte nicht basieren auf nichtexistenten und durch Polemik
geschaffenen Problemen.
Das Problem, was durch solche
Zeitungen mit dieser Polemik und Wortwahl entsteht, ist ein viel
gravierenderes: Sie schaffen sich Stück für Stück Marionetten. Das Problem, was
als Thema aufgegriffen wird, ist zwar da, aber die Recherchearbeit entweder schlecht
oder absichtlich in eine bestimmte Richtung treibend. Einige Fakten werden
bewusst übergangen oder verschwiegen. Dadurch wirken die Beiträge einseitig.
Wer allseitig und objektiv informiert sein will, sollte andere Zeitungen
wählen. Was diese Zeitungen aber bewirken, ist dass ein komplettes
Parteiprogramm (auch mit seinen teilweise unrealistischen Zielen) salonfähig
gemacht wird durch die bewusste Hervorhebung realistischer Ziele und Proteste,
die die Massen ansprechen. Unentschlossene sehen nur die Oberfläche und werden
durch ebensolche Zeitungen beeinflusst dieser Partei, dieser Meinung Vertrauen
zu schenken und sich fortan „nicht durch andere Medien beeinflussen“ zu lassen.
Wer irgendwann der Propaganda glaubt, dass „die anderen nicht die ganze Wahrheit“
schreiben, dass nur diese Zeitung und nur diese Partei „die Wahrheit sagt“ der
verzichtet irgendwann auch darauf sich wirklich allseitig umzusehen und sich
nach Hintergründen und aktuellen Fakten zu erkundigen. Und wer sich nicht mehr
selbst aufmacht und sich sein eigenes Bild von der Welt macht mit ALLEN Medien,
die ihm zur Verfügung stehen, der verliert nicht nur bald den Anschluss an die
reale Welt, sondern wird zu einem Roboter, der monoton das nachbetet, was die
Zeitung (oder dann die Partei) ihm vorgibt.
Deshalb: Lesen der linken
Zeitungen ist nichts per se schlechtes. Im Gegenteil. Man soll ja genau alle
Nuancen der Welt kennen lernen, aber man sollte sich nie nur auf ein bestimmtes
(oder gar politisch eingefärbtes) Medium verlassen, sondern sich immer selbst
umsehen nach Meinungen und Fakten. Nicht der Rebell ist frei, sondern der
selbst denkende Mensch.
Politisches, Nachdenkliches
und Lustiges zum Weiterlesen:
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