Angenommen ich bin ein
Arbeitgeber und möchte jemanden einstellen. Zum Bewerbungsgespräch erscheinen 7
Kandidaten, jeder hat ein oder zwei Plakate über sich angefertigt, mit denen er mich – den Arbeitgeber
– überzeugen will ihn einzustellen. Was wird mir geboten?
Alle 5 Jahre ist Landtagswahl in
Sachsen. Zeitgleich wird der Landtag in Thüringen und Brandenburg gewählt.
Angesichts der Plakatlandschaft frage ich mich allerdings was ich da eigentlich
wählen soll.
Die einen zeigen ihr Gesicht, die
anderen werfen mit Sprüchen um sich, einige probieren beides. Die Aussage bleibt
gleich: Wähl mich, aber ich sag dir nicht warum. Wähl mich einfach weil du mich
immer wählst oder wähl mich weil du die anderen nicht magst. Keiner aber zeigt
mir, was er kann und über welche Kompetenzen er verfügt.
Beispiel Leipzig
Analyse Text
Auf den Bildern mit
Kopf ist häufig nur Name der Person und Name der Partei angegeben. Auf den Spruch-Plakaten
ist ein Ziel der Partei vermerkt, dies wird häufig durch ein Bild unterstrichen
oder illustriert.
Fazit: Die Ziele sind häufig so breit angelegt, dass praktisch jede Partei ihren Stempel hätte daruntersetzen können, auf den Plakaten erfahre ich nichts über die Einstellung und Profession der jeweiligen Person. Aber die Grünen sind hier ganz klar Top-Verlierer. Sie empfehlen einem lediglich sie zu wählen weil...es möglich ist.
Was soll ich hier wählen?
Ich erfahre etwas über die
Grundeinstellung der Partei. Etwa 70 % drücken mit ihrem Text ausdrücklich aus,
dass sie für Sachsen sind oder Sachsen mögen. Auch wenn die anderen dies nicht
tun, sollte ich das bei einer Landtagswahl implizieren. 10-20 % sagen konkret
für welche Ziele sie sich einsetzen wollen. 5 von 7 analysierten Plakaten drücken
beispielsweise aus, dass sie sich verstärkt um die Bildung kümmern wollen
Analyse Bild
Ob Kopf, Comic oder
Landschaftsfoto – Mühe gegeben haben sich alle. Nur die von der Linken scheinen
generell ein kleines Problem mit den Augen zu haben.
Fazit: Ich hoffe, dass der Kandidat der Linken mehr kann, als Eisen verbiegen. Auch hier wird auf kaum einem der Plakate etwas über die Qualitäten der zur Wahl stehenden Kandidaten verraten. Mein Auto würde vielleicht tatsächlich die FDP wählen…ja, Katzen würden auch Whiskas kaufen….dummerweise haben Autos in Sachsen immer noch kein Wahlrecht.
Was soll ich hier wählen?
Ich könnte das hübscheste Foto
küren…(meine Wahl gibt’s am Schluss).
Analyse Farbgebung
Zweifarbdruck
ist billiger, oder? Haben sich deshalb SPD und Piratenpartei für Plakate in
Grautönen mit nur einer weiteren Farbe entschieden? Oder, was möchte uns die FDP
sagen, deren Plakate eher Warnschildern ähneln?
Fazit: Die Farbgebung ist clever und bleibt hängen, hebt sich ab. Was das schlichte grau bei der CDU allerdings soll, weiß ich nicht. Grau steht ja eher für trostlos, unscheinbar oder Traurigkeit. Was möchte uns die CDU damit sagen? Die FDP drückt jedenfalls mit ihrer Farbgebung ganz klar aus, dass man sich von ihr fernhalten sollte.
Was soll ich hier wählen?
Die geschickteste Werbestrategie
haben vor allem die Plakate, die einem im Gedächtnis bleiben. Vielleicht gar
keine schlechte Wahlstrategie, so funktioniert das mit der Werbung im Fernsehen
ja auch.
Analyse Sexappeal
Politiker sind
nicht schön. Vielleicht haben sich deshalb viele Parteien dafür entschieden
ohne Fotos ihrer Spitzenkandidaten zu werben. Nun ja, bei der Linken hätte ich mir das
auf jeden Fall gewünscht… Aber das eine junge Mädel von der FDP mit den braunen
halblangen Haaren, die kess zwei Finger zum Peace-Zeichen erhebt und mit einem
Schriftzug gesteht, dass sie verliebt in Sachsen ist, das ist wirklich niedlich.
Fazit: Die Farbgebung der SPD in allen Ehren aber die schwarz-weiß-Fotos wirken ein bisschen wie gehobene Erotik-Fotografie, dazu noch der Blick….“komm, du willst es doch auch – also wählen gehen, mein ich“.
Was soll ich hier wählen?
Na ganz klar, wer der oder die Hübscheste
ist. Mister oder Miss Sachsen bekommt ein Kreuz - oder war das jetzt anders
gedacht?
Zum Schluss noch mein (versprochener) Wahlplakat-Favorit
(allerdings nur weil ich die Amsel mit ihren Jungen so niedlich finde und nicht
etwa weil ich der Partei etwas abgewinnen kann):
Leider konnte ich mich anhand der
Wahlplakate nicht für eine Partei entscheiden. Keine der Parteien konnte mir klipp und klar sagen wofür sie sich
konkret einsetzen wollen, konnte weder Zahlen noch Fakten nennen. Ich habe daher den Wahl-o-Mat
befragt. Ich konnte
mich leider für keinen der Kandidaten, die sich bei mir beworben haben,
entscheiden. Keiner der Kandidaten war fähig mir auf zwei Seiten seine
Qualitäten nahezulegen.
Für andere Unentschlossene gibt
es hier den Wahlomat für die
Landtagswahl in Sachsen!
Was ich mir für die nächste Wahl wünsche
- Auf so einem Plakat ist viel Platz. Nutzt diesen Platz.
- Eine Kurz-Biographie des Kandidaten würde helfen. Studiengang oder erlernter Beruf, Erfahrungen und Fachgebiete wären äußerst hilfreich.
- Das komplette Wahlprogramm muss es nicht gleich sein, aber eine verständliche Kurzfassung wäre auf größeren Flächen durchaus denkbar. Da würde ich sogar zum Lesen stehen bleiben.
- Es gibt solche viereckigen Barcodes, die mittlerweile fast jeder Bundesbürger mit dem Smartphone abscannen kann. Nutzt sie!! Leitet weiter auf informative Webseiten, auf Online Formulare auf denen man Fragen stellen kann oder ähnliches.
- So viele Leute beschmieren gerne Wahlplakate. Warum also nicht mit dem Bürger über ein Wahlplakat in den Dialog treten? Ein bisschen Platz freilassen damit man zu dem Wahlslogan Fragen stellen kann. Diese werden dann einmal pro Woche gesammelt und auf der Webseite beantwortet. Das spart nicht nur Druckerfarbe, sondern wirkt wirklich mal interaktiv (da steckt das Wort aktiv drin).
- Unter jedem Wahlplakat sollte eine Internetseite stehen, auf der man Feedback geben kann. Eine Studie der Uni Hohenheim hat ergeben, dass die Verständlichkeit von Wahlprogrammen und Plakaten kaum noch vorhanden sei. Diskussionsbedarf ist da. Nutzt das wenige Interesse, was noch da ist.
- Content Management ist in aller Munde. Dabei geht die Firma, die etwas verkaufen will auf Wünsche des Kunden ein, um ihn an die Marke zu binden und den Absatz zu steigern, indem sie ihm etwas bietet, was der Kunde haben will. Die Politik sollte sich dieser Werbestrategie endlich auch anschließen!
Politisches, Nachdenkliches
und Lustiges zum Weiterlesen:
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