Dass uns die Regierung
überwacht, das wussten Sie schon lange und viele komplexe Probleme lassen sich
auf diese wunderbare Entität schieben. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.
Wenn früher Onkel Erich in der Kneipe sagte, dass die
Regierung von der Pharmalobby geleitet wird, und die Außerirdischen sie
kontrollieren, dann hat man ihm ignoriert. Heute finden eben jene Mittfünfziger
und Mitsechziger Gleichgesinnte im Internet und die Algorithmen von Google und
Co. arbeiten kräftig daran mit, dass Onkel Erich und Tante Erika weiterhin nur
das sehen, was sie interessiert.
Das alles gab es schon in den 1950ern (Ufos), 1970ern
(Mondlandung) oder 1980ern (Außerirdische waren/sind auf der Erde). Erich von
Däniken hat dazu ein Buch nach dem anderen rausgehauen und macht heute noch satt
Kasse mit Vorträgen.
Was jedoch vor wenigen Jahren in maximal in den eigenen
vier Wänden ablief, findet jetzt gestärkt durch die Gruppenbildung und
Vernetzung über das Internet den Weg nach draußen. Die mediale Wahrnehmung ist
enorm und befeuert dieses Phänomen zusätzlich.
Doch die Szene hat sich zunehmend radikalisiert. Wenn es damals
nur hieß:
„Ja, ich habe da meine
Zweifel an der offizielen Geschichte, aber noch ist nix bewiesen“
oder
„Das Thema finde ich
interessant, könnte ja echt so sein.“
versteifen sich heute immer mehr Menschen „quasi-religiös“ auf
ihre neue „Erkenntnis“ und
sagen:
„Die besprühen uns
mit Gift, wir müssen die Flugzeuge abschießen.“
oder
„Die wollen uns alle
chippen, wir müssen sie aufhalten. Zur Not mit Waffengewalt.“
Und weil Familienangehörige mit ihnen nichts mehr zu tun
haben wollen, klöppeln sie sich zusehends einen neuen Freundeskreis aus Gleichgesinnten
im Internet zusammen.
Das Problem ist die
fehlende Medienkompetenz
Das Problem ist, dass Erich und Erika Medienkompetenz niemals gelernt haben. Was in Büchern und in
Zeitungen steht, ist wahr. Und was im Internet steht, ist auch wahr, weil es
publiziert wurde. Dass jeder ins Internet schreiben kann, und eben auch alles,
was er will, das ist Erich und Erika nicht bewusst. Sie glauben an das, was
andere dort schreiben. Deren Erklärungen erscheinen ihnen einfach und
plausibel. Und Google hält sie in dieser Blase.
Dass das nicht nur Mittsechziger, wie Erich und Erika
betrifft, ist ein neueres Phänomen, das seine Ursache in der katastrophalen
Bildungspolitik der letzten 30 Jahre hat. Sozial schwache und bildungsferne
Familien wurden in Sachen Bildungsteilhabe häufig zurückgelassen. Das Internet
bot Möglichkeiten für Heranwachsende sich kostengünstig zu den Themen zu
informieren auf die ihre Eltern keine Antwort wussten.
Und auch hier hat die Schule versäumt, mit dem Aufkommen neuer
Medien den Lehrplan anzupassen und den Schülern Medienkompetenz zu vermitteln.
Also quasi beizubringen, wie man fake News unterscheiden kann von echten
Fakten. Ihnen beizubringen Quellen richtig zu recherchieren. Nach Gegenstimmen
zu bestimmten Thesen gezielt zu suchen.
Wir leben nun in einer Zeit in der wir uns fragen: Wem kann
ich trauen, wer erfindet keine Fake-News? Einfache Antworten gibt es viele. Und
viele lehnen eben auch aufgrunddessen die komplexen wissenschaftlichen
Antworten komplett ab. Wissenschaftlern wird sogar Kommerzdenken und
Aktionismus vorgeworfen. Es ist jedoch gefährlich die Wissenschaft als
Bedrohung anzusehen, weil dadurch unwissenschaftliche, interessengeleitete
Pseudowissenschaftler die Oberhand bekommen. Republik.ch hat dazu einen
ausgezeichneten Artikel geschrieben, woran
man erkennt, dass man auf dem falschen Pferd sitzt.
Demonstrationen für
die Freiheit?
Auf den Demonstrationen gegen Masken und für die Freiheit
finden sich junge und alte aus allen politischen Spektren. Sie haben die
gleichen existenziellen Fragen, wie auch wir: Wie wird alles weitergehen? Wie
werde ich mich die nächsten Monate über Wasser halten können? Warum das alles?
Und auch hier finden sich immer wieder Skeptiker, die Maßnahmen für übertrieben
halten.
Sicherlich gilt zu bedenken, dass niemand von uns, auch kein
Politiker, jemals zuvor in einer solchen Situation war. Viele die auf solche
Demos gehen, sind in ihrer Jugend aufgestanden und haben für ihre Grundrechte
gekämpft, sie haben natürlich in einer solchen Situation Bedenken, dass der
jahrelange Kampf ihrer Jugend umsonst gewesen sein könnte. Um diese Menschen
jetzt noch zur beispielsweise recht einfachen Maßnahme der Maskenpflicht in
Zügen zu bewegen, muss man manchmal wirklich trickreich vorgehen, wie diese
Aufnahme einer Zugansage belegt.
Doch unter all jene, die einfach nur ein paar Bedenken
haben, mischen sich die Demagogen, die jetzt ihre große Chance kommen sehen. Ihre
einfachen Erklärungen kommen gut an.
Warum sind die
einfachen Antworten so populär?
Nachdenken ist anstrengend. Viele Menschen sind faul. Andere
haben andere Dinge im Kopf oder bauchen ihre Kräfte für andere Dinge. Hier
fallen einfache Erklärungen für scheinbar irrationale Maßnahmen auf fruchtbaren
Boden. Es ist oftmals eine Antwort, die einfach ist, aber dennoch so weit
hergeholt und um so viele Ecken gedacht, dass man selbst niemals drauf gekommen
wäre. Die Süddeutsche glaubt sogar, dass Film und Literatur uns über Jahrzehnte
hinweg auf solche überraschenden
Handlungswendungen geeicht hätte.
Und manchmal sind die wahren Antworten so einfach, dass sich
genau dieselben Leute denken: „Das ist jetzt aber zu einfach, da muss mehr
dahinterstecken.“ Einfach gesagt, ist die Erklärung „Wir wissen auch nicht wie
wir mit dieser Situation umgehen sollen, weil es so etwas noch nie gab“ für
einige eben nicht einleuchtend genug. Da muss mehr dahinterstecken. Gerne wird
dann große Philosophie zitiert: „Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu
bedienen“, doch oftmals ist es tatsächlich nur ein Nachplappern fremder
„Erklärungen“. Wie die FAZ sehr schön schrieb, gehört
ein Brett vor dem Kopf nicht zu den Grundrechten.
Was kann man tun, um
diese Leute aus ihrer Blase rauszuholen?
Doch auch ich sehe in meinem persönlichen Umfeld viele
Leute, die sich von den einfachen Erklärungen magisch angezogen fühlen. Dass
die Anführer und Vordenker dieser absurden Theorien sich meist schon
radikalisiert haben, Waffen horten und nur auf den Startschuss zum gewaltsamen
Umbruch der Demokratie hoffen, wissen die meisten noch nicht einmal.
Und es gibt viel zu wenige, die darüber aufklären. Es gibt
kaum jemanden, der en verwirrten Menschen, die gerne einfache Erklärungen lesen
wollen einen Ausweg aufzeigt. Und auch die Politik ignorierte dieses Problem
schlichtweg, bis mordende Reichsbürger erstmals in Aktion traten. Vielen, die
etwas wagen, gegen Verschwörungstheoretiker zu sagen, werden offen bedroht,
teilweise sogar tätlich angegriffen. Onkel
Michael ist einer von ihnen. Ab er gibt, wie viele andere auch nicht auf.
Ebenfalls aufklären will Marina Weisband. Sie zeigt relativ einfach, wie
Verschwörungstheorien dabei helfen, Menschen gezielt für bestimmte politische
Ziele zu agitieren und zu radikalisieren. Ihr Video „Stochastischer Terrorismus –
ein Schnellkurs“ ist absolut sehenswert. Vor allem auch für Lehrer, die
heute vor der schwierigen Aufgabe stehen, ihre Schüler für diese Welt da
draußen zu wappnen.
Bildnachweise:
https://www.pexels.com/de-de/foto/abend-ball-blase-dammerung-302743/
https://pixabay.com/photos/press-journalist-photographer-news-1015988/
https://pixabay.com/photos/old-couple-reading-newspaper-5051770/
https://pixabay.com/illustrations/ufo-space-alien-3d-blender-788746/
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