25 Jahre nach der Wiedervereinigung befindet sich
Deutschland auf einem Kurs zur Teilung in zwei extreme Lager.
An mittlerweile bis zu
drei Tagen in der Woche treffen sie in Leipzig aufeinander: Die das
Gutmenschentum beklagenden "besorgten Bürger" und die
uneingeschränkten Willkommenskulturfeierer. Will man als Bewohner der Stadt
einfach nur von A nach B und muss dabei durch die Innenstadt, sieht man sich
nicht nur zwei feindlichen Lagern gegenüber, sondern auch Hundertschaften der
Polizei, die mit Bullys und Barrieren Stoßstange an Stoßstange das Geschehen
absichern. Ein Durchkommen ist unmöglich.
Das ärgert neben den
unbeteiligten Bewohnern nicht nur die Touristen, für die man in einigen Ländern
mittlerweile Reisewarnungen für Sachsen herausgibt, sondern auch die
Ladenbesitzer an den beliebten Laufrouten um den Ring, die auf Polizeigeheiß
meist schon um 15 Uhr schließen müssen. Und es kostet eben auch eine ganze
Menge Geld. Die Stadt Leipzig spricht von 19 Millionen
Euro, die seit dem Beginn der Aufmärsche im Oktober 2014 für die
Absicherung der Demonstrationen aufgewendet worden sind.
Die beiden Positionen sind einfach erklärt. Legida will keine Flüchtlinge
in Leipzig aufnehmen, hat Angst vor Überfremdung und fremden Kulturen oder
einem Anstieg der Kriminalität. Ängste, die mit einfachen Fakten und richtiger
Aufklärung schnell entkräftet werden könnten. Sie tun sich vor allem durch zwei
Dinge hervor: Erfundene Artikel mit geklauten Fotos, die ihre Ängste beweisen
sollen und einem sehr nach außen getragenen nationalem Egoismus.
Die andere Seite propagiert die bedingungslose Aufnahme aller Flüchtlinge
in Deutschland und deren unbehinderten Transfer hierher. Sie haben Angst vor
dem schleichenden rechten Populismus und einem Kippen der Stimmung Richtung
rechts. Sie tun sich vor allem hervor durch unreflektiertes Schönreden und
bewusstes Verschweigen real vorhandener Probleme und haben eine stark polarisierende
Weltansicht.
Diese beiden Lager treffen
dort immer wieder aufeinander und schaukeln sich aneinander immer weiter hoch.
Demokratie? Normales
Bürgerbegehren? Nicht mehr. Die drei Mal in der Woche stattfindenden
Demonstrationen und Gegendemonstrationen haben jede Verhältnismäßigkeit
verloren. Keine der beiden Parteien konnte einen nennenswerten Zuwachs
verzeichnen. Die Argumente sind zu oft vorgetragen zur Normalität geworden. Das
ständig gleiche Wiederholen der Sprüche und Parolen geht zum einen Ohr rein und
zum anderen Ohr raus und wird von den meisten Bürgern der Stadt Leipzig als
lästig empfunden. Ja, man hat sich fast schon arrangiert, dass an bis zu drei
Abenden in der Woche die Hauptverkehrsadern der Stadt teilweise oder komplett
gesperrt sind und sich der Verkehr nur noch schleichend bewegt. Der
unbeteiligte Bürger nimmt schweigend hin, was sich da ereignet und ignoriert
es. So scheint es, doch die Wahrheit sieht anders aus. Mehr und mehr wird man
aus der Neutralität heraus in die eine oder andere Richtung gezwungen.
Die Stimmung kippt. Eine
Mitte scheint nicht mehr möglich. Deutschland spaltet sich in zwei extreme
Lager. Extrem pro Flüchtlinge und extrem gegen Flüchtlinge. Egal, wie man sich
äußert, man wird in die eine oder andere Ecke gedrängt. Neutral sein in
Deutschland wird immer schwieriger. Ist Deutschland bald ein Land voller
Extremisten? Und dazwischen ein Haufen verschüchterter Flüchtlinge, die sich
Integration wünschen und stattdessen nur einen wütenden Mob aus Demonstranten
und Gegendemonstranten vorfinden, welcher sich gegenseitig beschimpft die
falschen Ansichten zu haben. Laut demokratischer Grundansicht muss man jeder Meinung eine Existenzberechtigung einräumen, wenn sie nicht gegen ein Gesetz verstößt. Nur so kommen politische Diskussionen zustande. Aber Extremismus, von Links oder von Rechts ist gleichermaßen
nicht zu tolerieren.
Ralph
Ruthe schrieb: "Demonstrieren gegen Flüchtlinge. Das ist, als wenn man gegen Unfalltote demonstriert - statt gegen Raser."
Also: Wenn ihr schon demonstriert, dann doch bitte nicht gegen die, die nichts dafür können. Statt gegen oder für Flüchtlinge zu demonstrieren, wäre es beispielsweise viel sinnvoller gegen den Ursprung der Problematik zu demonstrieren: Das schlechte Management der EU und Nato in Sachen Syrien, der schleppende (bisweilen verschleppende) Umgang mit der Flüchtlingsproblematik seitens der Behörden oder demonstrieren ganz pauschal gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete. Das kann doch nur im Interesse aller sein. Ein Mittelweg und gemeinsame Zusammenarbeit v. a. in Europa wäre jetzt der einzig richtige Weg dieser Herausforderung steigender Flüchtlingszahlen entgegenzutreten. Lasst uns das Problem doch lieber an der Wurzel packen statt über Auswirkungen zu klagen. Denn gesprochen wird in der Geschichte immer von denen, die was gegen die Probleme gemacht haben, nicht von denen, die gebetsmühlenartig von Problemen erzählt haben.
Ich möchte ein
Deutschland, in dem man eine neutrale Meinung haben und sagen kann, ohne gleich
pauschalisierend in ein Lager abgeschoben zu werden. Ich möchte ein
Deutschland, in dem Probleme nicht panisch überzeichnet und aufgebauscht oder weggeredet
werden. 25 Jahre nach der Wiedervereinigung möchte ich ein Deutschland sehen,
was gemeinsam diese Herausforderung bewältigt und gestärkt aus der Krise hervorgeht.
Bildnachweise:
https://www.facebook.com/sleazemag/photos/a.10150247869030094.472389.76262950093/10156189366230094/?type=3
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Zum Weiterlesen:
- Deutschland im Flüchtlingstaumel – Zerstörte Existenzen und gespaltene Lager
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Das Märchen vom Auszug aller Ausländer (von Helmut Wöllenstein)
Vor, zurück, zur Seite, ran und eins… Politische Zyklen
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