Donnerstag, 30. Juli 2020

Unterm Aluhut – Warum man einfachen Antworten eher glaubt

Dass uns die Regierung überwacht, das wussten Sie schon lange und viele komplexe Probleme lassen sich auf diese wunderbare Entität schieben. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Wenn früher Onkel Erich in der Kneipe sagte, dass die Regierung von der Pharmalobby geleitet wird, und die Außerirdischen sie kontrollieren, dann hat man ihm ignoriert. Heute finden eben jene Mittfünfziger und Mitsechziger Gleichgesinnte im Internet und die Algorithmen von Google und Co. arbeiten kräftig daran mit, dass Onkel Erich und Tante Erika weiterhin nur das sehen, was sie interessiert.

Das alles gab es schon in den 1950ern (Ufos), 1970ern (Mondlandung) oder 1980ern (Außerirdische waren/sind auf der Erde). Erich von Däniken hat dazu ein Buch nach dem anderen rausgehauen und macht heute noch satt Kasse mit Vorträgen.

Was jedoch vor wenigen Jahren in maximal in den eigenen vier Wänden ablief, findet jetzt gestärkt durch die Gruppenbildung und Vernetzung über das Internet den Weg nach draußen. Die mediale Wahrnehmung ist enorm und befeuert dieses Phänomen zusätzlich.

Doch die Szene hat sich zunehmend radikalisiert. Wenn es damals nur hieß:

„Ja, ich habe da meine Zweifel an der offizielen Geschichte, aber noch ist nix bewiesen“

oder

„Das Thema finde ich interessant, könnte ja echt so sein.“

versteifen sich heute immer mehr Menschen „quasi-religiös“ auf ihre neue „Erkenntnis“ und

sagen:

„Die besprühen uns mit Gift, wir müssen die Flugzeuge abschießen.“

oder

„Die wollen uns alle chippen, wir müssen sie aufhalten. Zur Not mit Waffengewalt.“

Und weil Familienangehörige mit ihnen nichts mehr zu tun haben wollen, klöppeln sie sich zusehends einen neuen Freundeskreis aus Gleichgesinnten im Internet zusammen.

 

Das Problem ist die fehlende Medienkompetenz

Das Problem ist, dass Erich und Erika Medienkompetenz niemals gelernt haben. Was in Büchern und in Zeitungen steht, ist wahr. Und was im Internet steht, ist auch wahr, weil es publiziert wurde. Dass jeder ins Internet schreiben kann, und eben auch alles, was er will, das ist Erich und Erika nicht bewusst. Sie glauben an das, was andere dort schreiben. Deren Erklärungen erscheinen ihnen einfach und plausibel. Und Google hält sie in dieser Blase.

Dass das nicht nur Mittsechziger, wie Erich und Erika betrifft, ist ein neueres Phänomen, das seine Ursache in der katastrophalen Bildungspolitik der letzten 30 Jahre hat. Sozial schwache und bildungsferne Familien wurden in Sachen Bildungsteilhabe häufig zurückgelassen. Das Internet bot Möglichkeiten für Heranwachsende sich kostengünstig zu den Themen zu informieren auf die ihre Eltern keine Antwort wussten.

Und auch hier hat die Schule versäumt, mit dem Aufkommen neuer Medien den Lehrplan anzupassen und den Schülern Medienkompetenz zu vermitteln. Also quasi beizubringen, wie man fake News unterscheiden kann von echten Fakten. Ihnen beizubringen Quellen richtig zu recherchieren. Nach Gegenstimmen zu bestimmten Thesen gezielt zu suchen.

Wir leben nun in einer Zeit in der wir uns fragen: Wem kann ich trauen, wer erfindet keine Fake-News? Einfache Antworten gibt es viele. Und viele lehnen eben auch aufgrunddessen die komplexen wissenschaftlichen Antworten komplett ab. Wissenschaftlern wird sogar Kommerzdenken und Aktionismus vorgeworfen. Es ist jedoch gefährlich die Wissenschaft als Bedrohung anzusehen, weil dadurch unwissenschaftliche, interessengeleitete Pseudowissenschaftler die Oberhand bekommen. Republik.ch hat dazu einen ausgezeichneten Artikel geschrieben, woran man erkennt, dass man auf dem falschen Pferd sitzt.

 

Demonstrationen für die Freiheit?

Auf den Demonstrationen gegen Masken und für die Freiheit finden sich junge und alte aus allen politischen Spektren. Sie haben die gleichen existenziellen Fragen, wie auch wir: Wie wird alles weitergehen? Wie werde ich mich die nächsten Monate über Wasser halten können? Warum das alles? Und auch hier finden sich immer wieder Skeptiker, die Maßnahmen für übertrieben halten.

Sicherlich gilt zu bedenken, dass niemand von uns, auch kein Politiker, jemals zuvor in einer solchen Situation war. Viele die auf solche Demos gehen, sind in ihrer Jugend aufgestanden und haben für ihre Grundrechte gekämpft, sie haben natürlich in einer solchen Situation Bedenken, dass der jahrelange Kampf ihrer Jugend umsonst gewesen sein könnte. Um diese Menschen jetzt noch zur beispielsweise recht einfachen Maßnahme der Maskenpflicht in Zügen zu bewegen, muss man manchmal wirklich trickreich vorgehen, wie diese Aufnahme einer Zugansage belegt.

Doch unter all jene, die einfach nur ein paar Bedenken haben, mischen sich die Demagogen, die jetzt ihre große Chance kommen sehen. Ihre einfachen Erklärungen kommen gut an.

 

Warum sind die einfachen Antworten so populär?

Nachdenken ist anstrengend. Viele Menschen sind faul. Andere haben andere Dinge im Kopf oder bauchen ihre Kräfte für andere Dinge. Hier fallen einfache Erklärungen für scheinbar irrationale Maßnahmen auf fruchtbaren Boden. Es ist oftmals eine Antwort, die einfach ist, aber dennoch so weit hergeholt und um so viele Ecken gedacht, dass man selbst niemals drauf gekommen wäre. Die Süddeutsche glaubt sogar, dass Film und Literatur uns über Jahrzehnte hinweg auf solche überraschenden Handlungswendungen geeicht hätte.

Und manchmal sind die wahren Antworten so einfach, dass sich genau dieselben Leute denken: „Das ist jetzt aber zu einfach, da muss mehr dahinterstecken.“ Einfach gesagt, ist die Erklärung „Wir wissen auch nicht wie wir mit dieser Situation umgehen sollen, weil es so etwas noch nie gab“ für einige eben nicht einleuchtend genug. Da muss mehr dahinterstecken. Gerne wird dann große Philosophie zitiert: „Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“, doch oftmals ist es tatsächlich nur ein Nachplappern fremder „Erklärungen“. Wie die FAZ sehr schön schrieb, gehört ein Brett vor dem Kopf nicht zu den Grundrechten.

 

Was kann man tun, um diese Leute aus ihrer Blase rauszuholen?


Doch auch ich sehe in meinem persönlichen Umfeld viele Leute, die sich von den einfachen Erklärungen magisch angezogen fühlen. Dass die Anführer und Vordenker dieser absurden Theorien sich meist schon radikalisiert haben, Waffen horten und nur auf den Startschuss zum gewaltsamen Umbruch der Demokratie hoffen, wissen die meisten noch nicht einmal.

Und es gibt viel zu wenige, die darüber aufklären. Es gibt kaum jemanden, der en verwirrten Menschen, die gerne einfache Erklärungen lesen wollen einen Ausweg aufzeigt. Und auch die Politik ignorierte dieses Problem schlichtweg, bis mordende Reichsbürger erstmals in Aktion traten. Vielen, die etwas wagen, gegen Verschwörungstheoretiker zu sagen, werden offen bedroht, teilweise sogar tätlich angegriffen. Onkel Michael ist einer von ihnen. Ab er gibt, wie viele andere auch nicht auf. Ebenfalls aufklären will Marina Weisband. Sie zeigt relativ einfach, wie Verschwörungstheorien dabei helfen, Menschen gezielt für bestimmte politische Ziele zu agitieren und zu radikalisieren. Ihr Video „Stochastischer Terrorismus – ein Schnellkurs“ ist absolut sehenswert. Vor allem auch für Lehrer, die heute vor der schwierigen Aufgabe stehen, ihre Schüler für diese Welt da draußen zu wappnen.


Bildnachweise:

https://www.pexels.com/de-de/foto/abend-ball-blase-dammerung-302743/

https://pixabay.com/photos/press-journalist-photographer-news-1015988/

https://pixabay.com/photos/old-couple-reading-newspaper-5051770/

https://pixabay.com/illustrations/ufo-space-alien-3d-blender-788746/


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